Gedenkstätte erinnert an vergessenen Fabrikanten

 

Neueste Veröffentlichung würdigt Waldenmaier – Weiteres Thema: Elser und Churchill

 

Eine wenig beachtete, aber entscheidende Episode im Leben des Georg Elser und das fast vergessene Schicksal eines Mannes aus seinem weiteren Umfeld werden in der neuesten Veröffentlichung der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn ausgebreitet. Im Band 19 der Schriftenreihe geht es um den erstaunlichen Berufswechsel, den Elser 1936 vollzog,  offenkundig schon mit Attentatsplänen. Und es geht um den Fabrikanten Erhard Waldenmaier, in dessen Heidenheimer Betrieb Elser Einblick in die Rüstung der Nazis bekam und der nach dem Krieg einen „Tatsachenbericht“ schrieb, ehe er in einem polnischen Gefängnis starb. Ferner präsentiert der neue Band einen nur auf den ersten Blick erstaunlichen Vergleich Elsers mit Winston Churchill und bemüht sich, die etwas rätselhaften letzten Worte des Widerstandskämpfers im Verhör durch die Gestapo zu entschlüsseln.

 

    Bisher gilt, was Elser in diesem Verhör sagte: „Den Entschluß zu meiner Tat faßte ich im Herbst 1938.“ Tatsächlich aber spricht vieles dafür, dass er schon konkreter an ein Attentat dachte, als er im Dezember 1936 plötzlich Hilfsarbeiter in der Armaturenfabrik Waldenmaier wurde. Denn nur so ist zu erklären, warum der Mann, dessen Berufsstolz als  Schreiner sehr ausgeprägt und bekannt war, auf einmal den Beruf wechselte und als Gussputzer in einem Metallbetrieb anfing. In der Veröffentlichung „Elser und der  Fabrikant“ wird nun dazu aus dem Verhörprotokoll zitiert, wie der Schreiner diesen Wandel zu begründen versuchte, ohne seine wirklichen Beweggründe zu nennen. Tatsächlich erhielt er bei Waldenmaier wo er rasch in die Versandabteilung auftieg, Einblick in die Rüstung des Reiches und profiterte ganz praktisch für Attentatspläne, denn er entwendete in der Firma 250 Presstückchen Pulver und Zünderteile.

 

     Band 19 geht dazu auch auf eine neue Veröffentlichung des Georg-Elser-Arbeitskreises ein, der eine Gestapo-Akte im Landesarchiv Düsseldorf auswertete. Daraus wird deutlich, mit welcher Kaltblütigkeit Elser einen Teil eines Zünders an sich brachte, indem er beim Eingang einer Lieferung aus einem Zulieferbetrieb manipulierte. Und seinen Chef Waldenmaier in Erklärungsnot brachte. Waldenmaier selbst legte gleich nach dem Krieg in einem „Tatsachenbericht“ dar, wie ihn die Gestapo drangsalierte, nachdem sein einstiger Mitarbeiter Elser verhaftet worden war, weil er am 9. November 1939 den Anschlag auf Hitler im „Bürgerbräukeller“ in München verübt hatte. Wegen eines ganz anderen Falles wurde der Fabrikant einige Zeit später von der amerikanischen Besatzungsmacht an Polen ausgeliefert, wo er in einem Gefängnis starb, angeblich an Diphterie. Dieser Bericht Waldenmaiers wird nun, nach der einleitenden, erklärenden Titelgeschichte, im Band 19 der Gedenkstätte im Wortlaut abgedruckt.

 

      Ein weiteres Kapitel befasst sich mit den letzten Worten Elsers im Gestapo-Verhör, die schon als Anzeichen für Reue des Widerstandskämpfers gewertet wurden. Der Autor Ulrich Renz, Mitarbeiter der Gedenkstätte, sieht diese Interpretation kritisch. Er zitiert einige Autoren, die Elsers Äußerungen zu werten versuchten, und vertritt selbst die Auffassung, dass der Attentäter bis zum Schluss zu seiner Tat gestanden habe. Oder wie die Filmemacherin Jutta Neupert sagte: „Er hätte es wieder gemacht.“

 

      Der dritte größere Beitrag im Heft trägt die überraschend anmutende Überschrift „Elser und Churchill“. Dargelegt wird, wie sich der schwäbische Handwerker und der britische Staatsmann im Jahre 1938 in der  Auffassung einig waren, dass das Abkommen von München, mit dem die Tschechoslowakei zu Abtretung des Sudetenlandes gezwungen wurde,keineswegs eine Zeit des Friedens einleitete, wie sonst weithin verkündet wurde. Beide sahen in ihm vielmehr Vorboten für schlimmeres Unheil. „Der Unterschied  bestand nur in der Wahl ihrer Worte“, heisst es in diesem Beitrag. Schließlich habe Elser dem wortgewaltigen Politker rhetorisch das Wasser nicht reichen können.

 

    Den Schluss von Band 19 bilden „Fundstücke“, die Autor Renz im Laufe der Jahre gesammelt hat. Es sind Denk- und Merkwürdigkeiten wie ein Telegramm des Fürsten von  Liechtenstein an Hitler nach dem Attentat, die Rückkehr von Elsers Zither nach Königsbronn oder auch ein fehlender Finger.

 

      Schriftenreihe der Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn, Band 19: „Elser und der Fabrikant - und weitere Beiträge zur Leben und Tat des Widerstandskämpfers“.   November 2020.