Die Höhle in der "Elser-Säule"
von Ulrich Renz
Sie maß etwa 40 mal 40 Zentimeter – der Pfeiler 90 mal 70 Zentimeter
Die Höhlung in der Säule im „Bürgerbräukeller“ in München, die Georg Elser für sein Attentat schuf, maß in der Öffnung ungefähr 40 Zentimeter in einem ungefähren Quadrat. Die „Elser-Säule“ selbst war 90 Zentimeter breit und 70 Zentimeter tief. Es ist an der Zeit, diese Maße zu Protokoll zu geben. In der Literatur über den Anschlag auf Adolf Hitler am 8. November 1939 kommen sie kaum oder gar nicht vor.
Josef Seibold, Mitarbeiter der Georg Elser Gedenkstätte, hat genau nachgeprüft und festgestellt, „dass die von Georg Elser präparierte Säule die von der Bühne aus gesehen dritte Säule nach der Ecksäule ist. Betrachtet man die Anordnung von der Eingangshalle aus, dann ist es die zweite Säule nach der Ecksäule.“ Seibold hat früher schon darauf hingewiesen, dass in Band 12 der Schriftenreihe der Gedenkstätte - „Der Bürgerbräukeller“ - die falsche Säule markiert wurde, und zwar sowohl im Plan „Emporengeschoss“ als auch im Plan „Erdgeschossgrundriss“. In beiden Fällen wurde demnach von der Bühne aus gesehen eine Säule zu früh gekennzeichnet.
Die richtige „Elser-Säule“ war am Tag des Attentats durch eine große Hakenkreuzfahne verhüllt. Vor dem Pfeiler stand das weiße Rednerpult Hitlers. Der „Führer“ sprach stets ganz bewußt von dieser Stelle in der Mitte aus, um zu demonstrieren, dass er sich inmitten seiner „ Alten Kameraden“ befand. Daher vermied er es, von der Bühne an der Stirnseite des Saales aus zu reden.
„Die Tragsäule hinter dem Rednerpult“ bestand aus „Ziegelmauerwerk“ zwischen „drei kräftigen Eisenschienen“, wie es in einem nur Stunden nach dem Attentat verfassten vorläufigen Gutachten von zwei Sachverständigen hieß (Quelle: Archiv Georg-Elser-Arbeitskreis). In diese Säule brach Elser gleich über dem Boden der Empore die Öffnung für seine Bombe, wie er dies ausführlich und nicht ohne Stolz in der Vernehmung durch die Gestapo beschrieb. So sind wir genau über seine Arbeiten in den rund 30 Nächten informiert, die er im „Bürgerbräukeller“ verbrachte. Allerdings fehlen etliche technische Einzelheiten wie vor allem auch Maße und Maßstäbe. Sie waren in fünf Zeichnungen enthalten, die der Widerstandskämpfer während der Vernehmung anfertigte und die von den drei vernehmenden Kommissaren dem Protokoll beigefügt wurden. So heißt es an einer Stelle: „Vermerk: Die von E. bezügl. des in der Säule geschaffenen Hohlraumes angegebenen Maße sind aus der von ihm gefertigten Originalzeichnung (natürlicher Maßstab) abzunehmen und soweit es sich um Höhenmaße handelt, in Zeichnung 3 für die einzelnen Raumteile eingetragen.“ Doch all diese Anlagen zum Protokoll sind im Gegensatz zur eigentlichen Niederschrift des Verhörs nicht überliefert, sie sind verschollen. Die Angaben im vorliegenden Bericht sind daher teilweise keine exakten, sondern ungefähre Werte.
So wissen wir nicht, welche Maße Elser für die Säule und die von ihm gebohrte Öffnung angegeben hat, die er im Verhör abwechselnd „“Hohlraum“, “Säulenhohlraum“, „Höhlung“ oder auch „Raum in der Säule“ nannte. Einmal sprach er vom „Vorraum der Höhle“. Recherchen der Königsbronner Gedenkstätte haben ergeben, dass Elser gleich über dem Boden der Empore an der 90 Zentimeter messenden Breitseite der Säule gearbeitet hat. Die schmalere Seite des Rechtecks, das den Pfeiler bildete, wäre mit 70 Zentimetern nicht geeignet gewesen, eine 40 cm breite Höhlung zu verkraften.
Für die Rekonstruktion der Ausmaße der Höhlung ist ein Rückgiff auf die Pionierarbeit von Rudolf Hangs unerläßlich. Der Neffe Georg Elsers hat den Sprengapparat seines Onkels vor Jahren schon nachgebaut und ihn mehrmals der Öffentlichkeit präsentiert. Aus diesem Nachbau lässt sich schließen, dass die Öffnung im Pfeiler ungefähr 40 mal 40 Zentimeter maß. Das Uhrengehäuse von Hangs, in dem wie bei Elser zwei Uhren übereinander stehen, ist 36 Zentimeter hoch und 16 Zentimeter breit. Der daneben montierte eigentliche Zündapparat ist niedriger, ist 18 Zentimeter breit. Das ergibt eine Gesamtbreite von 34 Zentimetern. Hangs weist darauf hin, dass im Original zwischen beiden Komponenten aus technischen Gründen ein Zwischenraum von zwei oder drei Zentimetern gewesen sein muss. Beide Teile sind unterschiedlich tief: das Uhrengehäuse 14 cm, der Zündapparat bei Hangs 40, bei Elser wahrscheinlich eher gegen 30 cm. So war auch hinter den Uhren noch ein Hohlraum, der mit Sprengstoff gefüllt werden konnte.
Die Tiefe der Höhlung ist mit 40 Zentimetern anzunehmen. Elser sagte im Verhör, er habe sich den Meißel, mit dem er das Mauerwerk ausbrach, im Laufe der Zeit von einem Schlosser insgesamt dreimal verlängern lassen, um damit bis in die Tiefe der Höhle gelangen zu können. Weiter schilderte er, wie er in der Nacht vom 2. auf den 3. November alle Zwischenräume in der Höhlung mit Schwarzpulver und Sprengkapseln vollstopfte. „Und zum Schluss füllte ich den ganzen hinteren Raum der Höhle mit den Sprengpatronen samt der restlichen Gewehrmunition aus. Da ich von vornherein wußte, dass es mir nicht gelingen würde, diesen hinteren Hohlraum mit der Hand zu füllen, hatte ich schon vorher aus Holz eine ungefahr 50 cm lange löffelartige Zange selbst gefertigt..... Mit dieser Zange gelang es mir, auch den kleinsten und letzten Hohlraum im hinteren Teil der Höhle auch mit Sprengpatronen auszufüllen. Zum Schluß war schließlich der gesamte Raum auch über dem Zündapparat mit Ausnahme des für meinen Uhrenkasten erforderlichen Raumes vollständig mit Sprengmitteln ausgefüllt.“